Vor fünf Jahren flog die rechte Terrorzelle NSU auf, am Freitag haben nun Migrantenverbände an die Opfer erinnert – und zwar an prominenter Stelle. In der Neuen Wache in Berlin, dem zentralen Gedenkort für Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, legten sie einen Kranz nieder.
In Gedenken an die Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) hat ein Verband von Migrantenorganisationen am Freitag einen Kranz in der Neuen Wache in Berlin niedergelegt. Vor fünf Jahren waren die Taten der Terrorzelle ans Tageslicht gekommen. Der rechtsterroristischen Mordserie fielen zehn Menschen zum Opfer, bei Sprengstoffanschlägen wurden über 20 weitere schwer verletzt. Die meisten Opfer hatten einen Migrationshintergrund.
Am 4. November 2011 wurden die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt tot in einem Wohnmobil in Eisenach entdeckt. Drei Tage später stellte sich Beate Zschäpe der Polizei. Als einziges noch lebendes Mitglied des NSU-Trios muss sie sich vor dem Oberlandesgericht München wegen Mittäterschaft verantworten.
Am Freitag erinnerte nun der Verband für interkulturelle Wohlfahrtspflege (VIW) an das Bekanntwerden der NSU-Morde. Der VIW ist ein Dachverband von zehn bundesweit tätigen Migrantenorganisationen. Granz haben die Verbandsvertreter den Kranz an der zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik für Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft niedergelegt.
Kritik an der Aufarbeitung
„Wir als Migranten verschiedener Herkunft wollten zeigen, dass wir gemeinsam der Opfer gedenken und dass wir daran erinnern werden, bis es wirklich eine volle Aufklärung gegeben hat“, erklärte Marta Neüff vom Polnischen Sozialrat.
Anlässlich des Jahrestags wurde erneut Kritik an der Aufarbeitung der NSU-Morde laut. Das Versprechen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einer rückhaltlosen Aufklärung wurde bislang nicht eingelöst, wie der ehemalige Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat kritisierte. „Kein Mitarbeiter wurde zur Verantwortung gezogen, es gab keine politische Konsequenz. Auch die Entscheidungen des Untersuchungsausschusses wurden kaum umgesetzt“, so Kolat.
Maas spricht von einem „großen Staatsversagen“
Ebenso hatte sich zuvor Barbara John, Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer, in der „Berliner Zeitung“ geäußert. „Die Hinterbliebenen sagen: Der Staat mit all seinen Ermittlungsbehörden konnte die Morde nicht verhindern – und kann jetzt die versprochene Aufklärung nicht leisten“, so John. Viele Familien der Opfer glaubten, dass der Verfassungsschutz Informationen zurückhalte. Es entstehe der Eindruck, dass das abstrakte Staatswohl höher gestellt werde als der Schutz der Menschen.
Unterdessen hat Bundesjustizminister Heiko Maas die Angehörigen der NSU-Opfer für das Behördenversagen um Entschuldigung gebeten. „Dass Rechtsextreme der NSU über ein Jahrzehnt lang mordend durch die Lande gezogen sind und wir nicht in der Lage gewesen sind, dies zu stoppen und die Bürgerinnen und Bürger besser zu schützen, ist nichts anderes als ein großes Staatsversagen“, sagte Maas in den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“ (Freitag). Das Leid, das die Terroristen angerichtet hätten, sei nicht wiedergutzumachen. Maas betonte: „Ich kann das Entsetzen und die Enttäuschung der Angehörigen der Opfer sehr gut nachvollziehen. Wir können uns bei ihnen nur entschuldigen.“
Quelle: www.rbb-online.de